Zum Hauptinhalt springen

Humanoide Roboter auf dem Vormarsch: Chancen und Herausforderungen

Roboter im Praxistest

Mit klammerförmigen Händen und nach hinten abwinkelbaren Beinen versuchte ein humanoider Roboter von Agility Robotics, bei einer Technik-Konferenz im Silicon Valley eine Dose von einem Supermarktregal in einen Einkaufskorb zu legen. Beim ersten Versuch scheiterte der Roboter und meldete über eine App: „Ich habe verfehlt 🙁“. Im zweiten Anlauf gelang es ihm.

Die Vorführung zeigte den noch nicht perfekten, aber schnellen Fortschritt der humanoiden Robotik.

Industrie setzt auf zweibeinige Maschinen

Unternehmen wie Agility, Boston Dynamics, Figure und Tesla arbeiten an zweibeinigen Robotern für industrielle Einsätze. Amazon, BMW und Mercedes-Benz testen bereits humanoide Roboter in Fabriken und Logistikzentren.

Laut Melonee Wise, Produktchefin bei Agility, können die Roboter Abläufe zwischen bestehenden, automatisierten Systemen verbinden: „Humanoide Roboter verknüpfen strukturierte Prozesse, die bisher kaum verbunden waren.“

Marktprognosen und Wachstumspotenzial

Analysten der Bank of America rechnen damit, dass bis 2030 rund eine Million humanoide Roboter weltweit im Einsatz sein werden – aktuell sind es fast keine. Dies könnte für Hersteller und Logistikunternehmen neue Möglichkeiten schaffen, Produktionskosten zu senken und Prozesse effizienter zu gestalten.

Debatte um Sicherheit und Bauform

Die Entwicklung humanoider Maschinen wirft Diskussionen über Sicherheit und Bauweise auf. Sami Atiya, Leiter der Robotiksparte bei ABB, kündigt an, Robotern künftig Sehvermögen, Sprachverständnis und Mobilität zu verleihen. Die Frage sei jedoch, ob sie humanoid bleiben: „Wir glauben, die Form könnte eine andere sein.“

Alternative Konzepte von ABB

ABB entwickelt seit Jahrzehnten Roboterarme für Fertigungsaufgaben. Das Unternehmen setzt auf eine andere Form als humanoide Roboter. Yumi, ein zweiarmiger Roboter auf einem fahrbaren Untersatz mit Kameras, wird für Montagearbeiten eingesetzt. Atiya betont: „Ich habe noch keinen Kunden getroffen, der einen Roboter auf zwei Beinen möchte.“

Flexibilität humanoider Roboter

Der Robotik-Professor Ken Goldberg von der Universität Kalifornien in Berkeley sieht humanoide Roboter dennoch als hilfreich an, etwa in Arbeitsbereichen, in denen zuvor Menschen tätig waren: „Wenn man Dinge hin- und hertragen muss, sind humanoide Roboter mit Beinen nützlich.“

Arbeitsmarkt und Automatisierungsfolgen

Die zunehmende Automatisierung löst Sorgen bei Politik und Gewerkschaften aus. Hersteller humanoider Roboter werben damit, dass Maschinen repetitive Aufgaben ohne Pausen übernehmen können. Laut McKinsey könnten bis 2030 weltweit 400 bis 800 Millionen Arbeitsplätze durch Automatisierung entfallen. Ein Viertel der betroffenen Personen müsste für andere Tätigkeiten umgeschult werden.

Fachkräftemangel als Treiber

Einige Unternehmen sehen humanoide Roboter als Lösung gegen den Arbeitskräftemangel. Anfang des Jahres waren in den USA fast eine halbe Million Stellen in der Produktion unbesetzt. „Menschen sind derzeit knapp“, so Goldberg.

Kosten und Sicherheitsfragen

Die Preise für humanoide Roboter sinken. Agility bietet ein „Robots-as-a-Service“-Modell an, bei dem Hardware und Wartung über ein Abo abgedeckt sind. So entfällt die hohe Anfangsinvestition.

Sicherheitsaspekte bleiben eine Herausforderung. Bisher arbeiten die meisten Industrieroboter in abgetrennten Bereichen. Fortschritte bei künstlicher Intelligenz und Computer Vision ermöglichen es jedoch, Roboter ohne Absperrungen einzusetzen. Amazon nutzt bereits den autonom navigierenden Proteus-Transportroboter in Lagerhallen.

Auch Agility entwickelt Maschinen, die künftig ohne Sicherheitskäfige neben Menschen arbeiten können. Wise: „Unser Ziel ist ein Roboter, der nicht eingesperrt werden muss.“